Diskurs über Querulanzia und soziale Gerechtigkeit 02 00:00 06:37 Herzlich willkommen zu unserer heutigen Analyse. Wir haben hier eine ziemlich intensive Sammlung von Texten vor uns liegen. Sehr persönlich, aber eben auch juristisch stark aufgeladen. Da geht es um Schriftverkehr, Anträge, Beschwerden und auch Reflexionen von einer Person, die seit Jahren im Clinch liegt mit deutschen Sozialbehörden, Jobcenter, Sozialamt und auch mit der Sozialgerichtsbarkeit. Die Bandbreite der Dokumente ist wirklich enorm. Das reicht von staubtrockenen Anträgen bis hin zu sehr emotionalen Ausführungen, sogar fundamentaler Systemkritik. Im Kern geht es immer wieder um den Kampf um Teilhabe, um ein selbstbestimmtes Leben, um Kritik am Bürgergeldsystem und ganz zentral um die Rechte als Mensch mit Autismus, genauer gesagt Asperger-Syndrom. Unsere Aufgabe heute, wir wollen für Sie mal die zentralen Punkte und diese Systemkritik dahinter rausschälen. Faszinierend ist hier wirklich diese Dichte der persönlichen Erfahrung, die ist so eng verwoben mit juristischen Argumenten, mit einer wirklich tiefgreifenden Kritik an staatlichen Strukturen. Man spürt förmlich dieses Ringen um Anerkennung, um effektiven Rechtsschutz und ja um das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Dasein. Und das ist eben weit mehr als nur materielle Absicherung, nicht wahr? Okay, dann packen wir das mal aus. Was sich da so durchzieht wie ein roter Faden quasi, ist dieser Vorwurf der Untätigkeit, der Missachtung von Vorschriften durch die Behörden. Immer wieder taucht auf, es fehlen rechtsmittelfähige Bescheide. Das sind ja diese offiziellen, anfechtbaren Entscheidungen. Ohne die kann man ja gar nicht erst vor Gericht ziehen. Das erzwingt den Klageweg ja geradezu. Der Autor redete auch tacheles, also von Amtsmissbrauch und staatlichem Unrecht. Ja und das rührt natürlich an Grundfragen, Verwaltung, Gewaltenteilung. Wenn Behörden, so wie das hier geschildert wird, Vorschriften ignorieren oder Verfahren einfach verschleppen, dann wird ja die Kontrollfunktion der Gerichte quasi ausgehebelt. Die Quellen nennen das ja auch explizit die Überlastung der Sozialgerichte als Folgeproblem. Ein Teufelskreis sozusagen, der den Rechtsschutz für den Einzelnen echt gefährdet. Und ein besonders, ja, brisanter Punkt, die Rechte von Menschen mit Behinderungen, speziell Autismus, Asperger. Der Autor pocht da sehr stark auf die UN-Behindertenrechtskonvention, die UN-BRK. Die sieht ja Behinderungen nicht als individuelles Defizit, sondern als Ergebnis von Barrieren in der Umwelt, in der Gesellschaft. Er fordert eine multidisziplinäre Bewertung seiner Situation und wehrt sich wirklich vehement gegen ein psychologisches Gutachten. Das stempelt ihn nämlich ab als, ja, wahnhaften Querulanten mit schizotyper Persönlichkeitsstörung. Genau da, da sieht man dieses Spannungsfeld zwischen dem Anspruch der UN-BRK und der deutschen Praxis. Und diese Stigmatisierung als Querulant, die ja beklagt wird, die kann natürlich, das liegt ja auf der Hand, den Zugang zur Justiz massiv erschweren, auch das Recht auf Gehör. Da stellt sich schon die Frage, wie gut Gerichte und Gutachter eigentlich vorbereitet sind auf die besonderen Kommunikationsweisen von Menschen im Autismus-Spektrum. Sind sie das überhaupt? Und dann, mitten in diesem zähen Ringen mit Behörden und Gerichten, findet man was Überraschendes. Nämlich eine ganze Reihe persönlicher Projekte. Ist die Rede von Patentanmeldungen, so was wie ein Handgriff für Wirkstoffabgabe oder Buchprojekte, Betrachtungen aus dem Mülleimer der Nation, sogar Konzepte für einen Coffeeshop oder einen Dorfladen. Wie passt das denn alles zusammen? Naja, diese Projekte, die wirken wie energische Versuche, oder? Versuche, finanzielle Unabhängigkeit zu finden, Selbstbestimmung und zwar trotz der attestierten teilweise Erwerbsunfähigkeit und eben außerhalb des Sozialleistungssystems. Das ist dieses oft geforderte Recht auf Kapital. Gleichzeitig sind sie in den Schreiben aber auch ein starkes Argument. So nach dem Motto, seht her, ich kann was. Ich bin handlungsfähig. Ich habe konkrete Pläne für eine selbstbestimmte Lebensführung. Das ist Beleg und Ziel in einem. Was mich auch beeindruckt hat, ist die Sprache. Die Sprache selbst. Mal extrem formal-juristisch, dann wieder sehr bildreich, sarkastisch, mit wirklich ungewöhnlichen Wortschöpfungen. Zum Beispiel unterscheidet er zwischen Technikfolgenprävention, sein Vorschlag, und der etablierten Technikfolgenabschätzung und prüft das dann sogar auf Einzigartigkeit via Google-Suche. Ja, die Sprache wird hier selbst zum Politikum, zum Spiegel dieses Konflikt. Der Gutachter wertet sie als Symptom einer Störung. Der Autor aber verteidigt sie. Als Ausdruck seiner Persönlichkeit, er nennt ja explizit Asperger, als legitimes Protestmittel, auch als satirische Antwort auf die Stigmatisierung. Man liest da drin halt die Spuren eines jahrzehntelangen Kampfes, ganz klar. Okay, fassen wir also mal zusammen. Diese Dokumente, die zeichnen schon ein sehr eindringliches Bild. Ein zermürbender Kampf eines Einzelnen gegen Systeme, die er als übermächtig und, ja, unfair erlebt. Es geht um Grundrechte, um Teilhabe, um den Zugang zu Justiz. Und letztlich darum, wie unser Staat, wie wir als Gesellschaft mit Menschen umgehen, die eben nicht der Norm entsprechen. Gerade wenn Behinderung und Sozialleistungen zusammenkommen. Genau. Und die fundamentalen Fragen, die diese Quellen aufwerfen, die gehen ja weit über diesen Einzelfall hinaus. Wie gewährleisten wir effektiven Rechtsschutz für alle? Gerade wenn Verfahren verschleppt werden oder notwendige Bescheide fehlen? Wie müssen sich Systeme, also Behörden, Gerichte, das Gutachterwesen anpassen, um der UN-BRK wirklich gerecht zu werden? Um Behinderung als Wechselwirkung zu verstehen? Und welche strukturellen, ja, Bruchstellen offenbart so ein Fall, wo sich ein Mensch über Jahrzehnte hinweg unverstanden fühlt und zum Objekt staatlicher Maßnahmen degradiert? Und eine letzte Frage, die wir Ihnen einfach mal mitgeben möchten zum Nachdenken. Wenn ein System dazu führt, dass ein Mensch einen Großteil seiner Energie, seiner Zeit in juristische Kämpfe stecken muss, in detaillierte Beschwerden, statt seiner kreativen oder vielleicht beruflichen Projekte zu verfolgen, was sagt das dann über die Effizienz und ja, vielleicht auch über die Menschlichkeit dieses Systems aus?